Ihr wollt ein Liebeslied, Ihr kriegt ein Liebeslied

von André Mumot

Heidelberg, 1. Mai 2014. Auch die Finnen haben es gewusst und ausgiebig demonstriert bei ihren Heidelberger Gastspielen: Mit Musik geht alles besser. Vor allem die Sache mit dem Gefühl. Und da Marianna Salzmanns Stück ja ohnehin laut Untertitel "Ein Lovesong" ist, dürfte Regisseur Hakan Savaş Mican die Entscheidung nicht schwer gefallen sein, seine drei fabelhaften Schauspieler Gitarre und Schlagzeug und Klavier spielen und singen zu lassen. Immer wieder, auch eigens angefertigte Lieder, schwelgerische russische Balladen, während die Meeresprojektionen die große Sehnsucht über die schlichten Wände schwappen lassen.

MaximGorkiTheater schwimmen lernen2 700 Thomas AurinUnd Putin grüßt als Tatoo: Marina Frenk am und Anastasia Gubareva auf dem Klavier in "Schwimmen lernen" © Thomas Aurin

"Schwimmen lernen", uraufgeführt in der Spielzeit 2012/2013 in Heidelberg, hat sich in der Nachspielfassung des Maxim Gorki Theaters zum veritablen Hit gemausert, zu einer Inszenierung, die Berlin zum verdutzten Aufhorchen gebracht hat, da auf den Hauptstadbühnen so viel zartes, beim Wort genommenes Gefühl exotischen Seltenheitswert besitzt. Nun schließt sich ein Kreis für Marianna Salzmann, und das Schwärmen kann am Ausgangspunkt der Erfolgsgeschichte in die nächste Runde gehen.

Unwiderstehlicher Charme, psychologisch garstiges Funkeln

Es sind, das wird schnell klar, vor allem die drei wunderbaren russischstämmigen Protagonisten, die die hohen Erwartungen rechtfertigen, während sie sich zu einem Beziehungsdreieck verbinden, das, anders als bei der ursprünglichen Fassung, ganz linear, ja geradezu konventionell erzählt wird. Im Zentrum steht Feli (Anastasia Gubareva), ein hin und hergeworfenes Kindsgeschöpf, das stürmisch heiratet (den grundsympathischen Dimitrij Schaad) und sich dann holterdipolter in eine andere Frau verliebt. Mit der resoluten No-Nonsense-Lil (Marina Frenk) zieht sie in deren Heimat ans Schwarze Meer, wo sie dann auch diese Beziehung nicht aufrecht erhalten kann. Warum? Ja, weil’s halt schwierig ist, und immer irgendwer heult und zu viel Nähe nicht gut ist und zu wenig auch nicht und überhaupt.

Es ist, ehrlich gesagt, nicht allzu viel dran an dieser Geschichte, weshalb es auch so ein Segen ist, dass häufig mit Inbrunst gesungen wird, dass die Musik auch dort an den Gefühlen kitzelt, wo die Lappaliennähe allzu augenfällig werden könnte. Aber dank Hakan Savaş Mican geschieht ohnehin so ziemlich alles auf dieser Bühne mit Leichtigkeit und Verve: Da umstellen Marina Frank, Anastasia Gubareva und Dimitrij Schaad einander anfangsoptimistisch mit Rosen und jeder Menge Blumentopfgeranien, formen einen Zuckerwattephallus und erschaffen, mal auf Deutsch, mal auf Russisch, hinreißende Eltern und verklemmt-wütende Freundinnen, die ihre Homophobie nur schlecht in den Griff bekommen. Dieses rhythmisch präzis entfaltete Miteinander hat einen Spielwitz, ein psychologisch garstiges Funkeln, eine Tonfallgenauigkeit, einen Charme, der tatsächlich unwiderstehlich ist.

Mit der Liebe und ihrer vollmundigen Beschwörung aber ist das natürlich so eine Sache. "Wir sind gerade eine gute Idee", sagt Dimitrij Schaad voller Hoffnung, "vielleicht die beste, die das Universum je hatte." Trotzdem ist die Liebe dann ganz schnell und unvermittelt vorbei, genau wie dieser Abend. Die Lieder sind verklungen, die Wellen versiegt, und geschwommen ist auch keiner. Verblüfft schaut man auf, denkt "Das war’s schon?", und ein bisschen ist es so, als sei nie was gewesen.

 

Schwimmen lernen
von Marianna Salzmann
Regie: Hakan Savaş Micas, Bühne + Kostüm: Sylvia Rieger, Musik Enik, Video: Benjamin Krieg, Dramaturgie: Irina Szodruch.
Mit: Marina Frenk, Anastasia Gubareva, Dimitrij Schaad.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
www.gorki.de

 

Zum Inszenierungsporträt von Georg Kasch

 

 

You have no rights to post comments