Ein Ständchen für den Weihnachtsmann

von André Mumot

Heidelberg, 27. April 2014. Man kann schon außer Atem kommen, gerade am ersten Festivalwochenende, an dem das Gastland sein üppiges theatrales Füllhorn ausschüttet. Hat man also am Vortag bereits fünf neue finnische Stücke kennengelernt, schwirrt einem womöglich noch ein bisschen der Kopf, und da tut es gut, einfach bloß mal dazusitzen. Genauer: Im Zelt vorm Heidelberger Theater, zusammen mit anderen Besuchern, wo es recht bequem ist und man obendrein auch noch sehr zuvorkommend und serviceorientiert bedient wird.

Juha Valkeapää backt dort – man kann es schon vorm Eintreten riechen – appetitliche kleine Pfannkuchen, und Taito Hoffrén bringt einem Tee oder Kaffee zum Platz. Mit Milch oder Zucker, ganz nach Wunsch, und dann schaukeln die beiden bloß eine Weile in ihren gemütlichen Schaukelstühlen und sehen zufrieden aus, und das ist in seiner problemlos phlegmatischen Friedlichkeit mal gar nicht so schlecht.Tenjourneys 700  JormaAirolaFinnische Lässigkeit: Juha Valkeapää spielt Tuba © Jorma Airola

"Ten Journeys to a Place Where Nothing Happens" heißt ihre Lässigkeits-Performance, und eine ganze Weile sieht es so aus, als würde in ihr tatsächlich einfach überhaupt nichts passieren. Stimmt aber nicht. Die beiden singen irgendwann leise Volksliedhaftes, auch finnischen Grabgesang, während draußen ein Straßenmusiker Schwanensee auf dem Saxophon anstimmt und die Kirchenglocken ausdauernd läuten.

Mit Kettensäge und Stargast

Ohne sich irritieren zu lassen, lesen die Tiefenentspannten aus ihrem Performance-Tagebuch vor (in dem nichts Aufregendes steht), zeigen das Video eines Regenwurms, der langsam unter gefallenes Laub kriecht, und albern ein bisschen rum. Juha Valkeapää erzählt von seinem Plattenlabel, spielt Tuba, geht kurz raus zum Bäumefällen und kehrt mit Kettensäge und perfekter Schnitzfigur zurück. Und dann lassen die beiden Heidelberg-Intendant Holger Schultze als Stargast im Weihnachtsmannkostüm auftreten, der unter seinem falschen Bart selbst nicht ganz zu glauben scheint, was hier mit ihm und seinen Gästen passiert – und was alles nicht.

Aber das gemeinsame anderthalbstündige Zelt-Entspannen wird mit so viel freundlichem Charme angeleitet, dass sich das Publikum, mit Pfannkuchen im Bauch und Kaffeetässchen in der Hand, schließlich soweit bezirzt fühlt, dass es mit Schmelz und Wehmut und stockender Textkenntnis "Leise rieselt der Schnee" singt – für den Intendantenweihnachtsmann, den das hoffentlich freut. Nein: Es ist nicht nichts, was hier passiert, aber zum Glück auch mal nicht viel.

 

Ten Journeys To A Place Where Nothing Happens
Konzept: Juha Valkeapää, Taito Hoffrén und Baltic Circle
Mit: Juha Valkeapää, Taito Hoffrén
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten

 

Kommentare   

+1 #1 zeitverschwendung in der digitaloptimierten weltmanne aus Berlin 2014-04-29 05:30
Das Geniale an dieser Performance sehe ich in der Tatsache, dass die beiden Finnen staatlich subventioniert mit uns unsere Zeit verschwenden. Es ist ein lässig, liebevoller Widerstandsakt gegen eine Welt, die mit ihrer andauernden Optimierung uns als Menschen überflüssig macht. Danke für dieses Erlebnis.

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