Wenn das Onanier-Video im Netz landet

von Simone Kaempf

30. April 2014. Cybermobbing ist das, was man einst Schulhofmobbing nannte. Deren Opfer wissen sich gegen die Verfolgung in sozialen Netzwerken genauso wenig zu wehren wie früher gegen schlichtere Pausen-Hänseleien. Die Folgen mag man für zerstörerischer halten, und doch ist es nicht ein Shitstorm allein, der im Netz missbrauchte Privatheit in einen Horrortrip verwandelt. Zur Tragödie braucht es neben gezielter Böswilligkeit anderer Schüler auch medienunerfahrene Eltern, eine Erwachsenenwelt, die die Dramatik verkennt, ein Schulwesen, das sich nicht zu verhalten weiß.

Das Stück zum Film

Als eine Kettenreaktion durchaus unglücklicher Ereignisse erzählt der preisgekrönte Film "Homevideo" das Mobbing eines gewöhnlichen Teenagers, der in einen solchen Strudel aus öffentlicher Zurschaustellung, Ausgrenzung, Verzweiflung gerät. Jakob hat miserable Noten, die zerstrittenen Eltern stehen kurz vor der Trennung. Aber verliebt ist er zum ersten Mal. Als er sich von seinen eigenen Gefühlen überwältigt beim Onanieren filmt, gerät dieses Video für alle sichtbar ins Internet. Der Film erzählt mit erschreckender Überzeugungskraft den immer stärker wachsenden Druck, der am Ende im Selbstmord mündet. Das mag ein Extremfall sein, aber wie die Katastrophe ihren Lauf nimmt, wird in "Homevideo" eindringlich erzählt, ohne je schlauer als die Protagonisten zu sein.

Homevideo2 700 FrankWoelflJugendliche Krisen in der Würfel-Landschaft. "Homevideo" © Frank Woelfl

Ein Thema also auch fürs Jugendtheater angesichts der Bedeutung, die digitale Medien im Leben Heranwachsender einnehmen. Doch leider weiß Regisseurin Laura Huonker diese Dringlichkeit kaum für die Bühne zu übersetzen. Anfang liegt noch Gefahr in der Luft, wenn die Schauspieler und jungen Darsteller sich nach und nach auf einer schwarzen Würfellandschaft verteilen, in die Ecke kauern, ihren hängenden Schultern das Unglück abzulesen lesen. Mutter und Sohn haschen einander zwischen Bettdecken, Szenen, denen ihre Entstehung aus der Improvisation abzulesen ist.

Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens

Die zerrütteten Verhältnisse bekommen allerdings ein Übergewicht, die streitenden Eltern waschen viel schmutzige Wäsche. Statt den Sohn zu stützen, hagelt es Vorwürfe. Der nähert sich seiner Klassenkameradin Hannah vorsichtig in Chatdialogen, die auf der Bühne auf eine große Videoleinwand projiziert werden. Die Ästhetik von weißer Schrift auf schwarzem Grund wirkt, naja, sehr gestrig gegen das, was Internetdesign heute zu bieten hat. Sind einige Szenen auch schön gearbeitet von den Jugendclubdarstellern, die sich spielfreudig mit ihren Rollen identifizieren, die Wirkung bleibt am Ende harmlos. So erzählt "Homevideo" zwar gelungen von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens inmitten eines zerrütteten Elternhauses. Der Druck, den ein Shitstorm auslösen kann, geht jedoch unter. Ein bisschen mehr Umgang damit hätte es ruhig sein dürfen, das Thema ist schließlich wichtig genug.
 
Homevideo
nach Jan Braren
Bühnenfassung von Can Fischer
Regie und Bühne: Laura Huonker, Kostüme: Anneliese Klein, Video: Sebastian Ganz, Dramaturgie: Leona Benneker.
Mit: Laszlo Branko Breiding, Benjamin Hille, Catharina Kottmeier, Florian Kroop, Anne Makosch, Valentin Mirow, Ricarda Schäfer, Milica Vidakovic.
Dauer: 1 Stunde, keine Pause

www.theater.baden-baden.de/haus/tik

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