Demokratiestunde im Ganzkörpereinsatz

von Simone Kaempf

28. April 2014. George Orwells "Farm der Tiere" ist ein Klassiker der Englisch-Schullektüre. Stoff für eine Altersgruppe, die nicht nur über gewachsenen Vokabelwortschatz verfügt, sondern auch erfahren soll, wie revolutionäre Umbrüche nur für kurze Zeit die Verhältnisse verändern. Bis nämlich die nächste Elite das Machtgefüge zu ihren Gunsten nutzt - bei Orwell eine Gruppe von Schweinen, die nach der Vertreibung des Farmers den Traum einer klassenlosen Gesellschaft wieder zum Platzen bringt.

AnimalFarm2 250 AtiaTrofimoffTanz um den "Animal Farm"-Pavillon
© Atia Trofimoff

Wunderkammer Black Box

Dass sich das unverdrossen in der Tradition der Gießener Schule arbeitende Performance-Kollektiv Showcase Beat le Mot diesem Stoff widmet, heißt allerdings für die jugendlichen Theaterzuschauer, an diesem Abend noch etwas anderes zu lernen: die üblichen Theaterregeln sausen zu lassen, die Guckkastenbühne aufzulösen, selbst zum Akteur zu werden, wenn man denn will.

Heißt: Die Zuschauer dürfen sich ausdrücklich bewegen, die Plätze wechseln und die schwarze Black-Box betreten, darüber klärt einer der Performer zu Beginn auf. Die eigentliche Bühne ist eine Art Wunderkammer mit hipp-kitschigen Tier-Devotionalien dekoriert: Hirschgeweihe, Kuhfell, Tierbilder unterschiedlichster Art, Handwerksgeräte an den Wänden. Im Zentrum ein pavillonartiges Metallgestell, das die vier Performer umtänzeln. Sie spielen mal den trunksüchtigen Farmer Jones, halbnackt über die Bühne torkelnd, mal die blökenden Schafe oder die streberhaften Schweine, denen der Oberschweinelehrer Napoleon beibringt, dass er immer recht hat.

Ziemliches Abstraktionsniveau

Diese durchaus epische Erzählweise, gespickt mit Songs, Polonaise und basslastigen Musikbeats, zieht Orwells sehr straight und packend erzählte Parabel deutlich in die Breite. Statt realistischer Nacherzählung für ein jugendliches Publikum begibt sich die Inszenierung auf ein ziemliches Abstraktionsniveau. Die Performern agieren mit vollem Körpereinsatz, verrenken im Stil des Ententanz ihre Gliedmaßen, im Kontrast dazu steht jedoch die ausgestellte Gleichgültigkeit gegenüber dem Text. Selbst, wenn einige Kapitel fast konventionell gelesen werden, entfacht sich keine Empathie gegenüber der Ungerechtigkeit, mit der die Schweine die anderen Tiere ausbeuten.

Gegen aufkommende Langeweile macht die Inszenierung allerdings ihr Gegenangebot: die schwarze Box, die erhöht am Rande der Tribüne aufgebaut ist. Und nicht wenige Jugendliche wandern beim Heidelberger Gastspiel tatsächlich ins Innere. Kameras übertragen die Bilder aus der Box auf kleine Bühnenmonitore, so verfremdet, dass die Aufnahmen an das Gewimmel in einem Bienenstock erinnern. Die Botschaft kommt durchaus rüber: Man bleibt immer Teil, auch wenn man sich zu entziehen versucht. Was aber doch wenig ist. Bei aller Sympathie für performative Spielweisen im Jugendtheater schaffen Showcase Beat le Mot keinen Mehrwert, sondern provozieren eine eigentümliche Distanz zu ihrem Stoff. Ihr Switchen zwischen Deutsch, Englisch und Denglisch ist zumindest für ein paar Lacher gut in dieser Inszenierung von zweifelhaftem Unterhaltungswert.

 

Farm der Tiere
nach dem Roman von George Orwell
Regie, Kostüme, Performance, Songs: Showcase Beat le Mot, Bühne: Atia Trofinoff, Box: Senol Sentürk, Choreografie: Minako Seki, Musik: Albrecht Kunze, Dramaturgie: Eva-Maria Reimer.
Mit: Nikola Duric, Thorsten Eibeler, Dariusz Kostyra, Veit Sprenger.
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause

www.showcasebeatlemot.de

 

 

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