Wie bescheißt man bei H&M?
von Georg Kasch
Heidelberg, 28. April 2014. Schule ist ein krasser Ort, diese hier besonders. "Hey, wo wollen Sie hin?", ruft einer der Schauspieler einem älteren Paar nach, das irgendwann den Saal verlässt. "Hier lernt man was fürs Leben!" Stimmt. Zum Beispiel, wie man einen Molotowcocktail baut und Tomaten auf Angela-Merkel-Bilder schmeißt. Oder auch, wie man den eigenen Nachwuchs als Kinder-Geld-Anlage hochrechnen kann (vier davon ergeben bei je 18 Jahren 166.968 Euro, immerhin).
Nichts für schwache Nerven: "Black Box Schule" © Sebastian Hoppe
Oder, gute Frage: So ziemlich alle Tierarten kennen Homosexualität, aber nur der Homo sapiens die Homophobie. Warum eigentlich? Nächstes Thema: Wie bescheißt man bei H&M, und was hat das mit Kindern in Bangladesch zu tun? Die müssen nicht zur Schule, was ihnen bei 14-Stunden-Tagen, miesen Arbeitsbedingungen und Cent-Löhnen keinen Stress erspart.
Überschrittene Grenzen
Das Herzstück von "Black Box Schule: They Expect You to Pick a Career" vom Jungen Schauspielhaus Düsseldorf ist ein viergeteiltes Klassenzimmer, in das die Schüler aus dem Publikum aufgeteilt und dort mal mehr, mal weniger politisch unkorrekt agitiert werden. Der Rest auf der Tribüne sieht staunend zu, wie die Informationsfetzen und Tomaten fliegen: Wild ist das und überfordernd und nichts für schwache Nerven. Wenn zum Beispiel ausgewählte Schüler öffentlich gedisst werden, überschreitet das Grenzen, auch wenn's die Klassen-Machos sind und sich der Effekt einbrennt.
Begonnen hatte das Projekt, das Regisseur Oliver Frljić mit dem Ensemble entwickelte, mit einer krassen, aber fantasievollen Beschimpfungs-Orgie, um mit "Wer wird Millionär?"-Multiple-Choice-Fragen munter auf die Schmerzpunkte zuzusteuern. Auf die entscheidenden Themen allerdings – sei's die nach dem individuellen Glück, sei's die nach der idealen Schule – gibt's keine vorgefertigten Antworten. Am Ende bekennen die Schauspieler: "Theater kann nicht die Welt verändern." Aber die richtigen Fragen stellen.
Black Box Schule: They expect you to pick a career
von Oliver Frljić & Ensemble
Regie, Bühne und Kostüme: Oliver Frljić, Dramaturgie: Marija Karaklajić (Ko-Autorin), Barbara Kantel.
Mit: Gabriel von Berlepsch, Edgar Eckert, Urs Peter Halter, Bettina Kerl, Kruna Savić.
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause
Junges Schauspielhaus Düsseldorf